AS-Verlag
Es heißt übrigens: DER Cervelat! Nicht die oder das, sondern DER Cervelat.
Der Cervelat ist eine gebrühte Bratwurst, vor allem aber ein Schweizer Heiligtum von dem der Schweizer statistisch
40 Stück pro Jahr isst, vom Säugling bis zum Greis.
Der Schweizer, das muss man zum Verstehen dieses Buches wissen, ist recht eigen, das mag an den hohen Bergen,
den tiefen Tälern, den langen Wintern oder an der Größe & Lage des Landes liegen, wer weiß. Vielleicht ist der Schweizer auch deshalb keine ausgesprochene Frohnatur. Dafür aber nimmt er selbst die einfachsten Dinge sehr ernst und so vermerkt dieses Buch, dass das Grillieren (der Schweizer sagt: Grillieren) des Cervelat am Holzstecken (am Holzspieß) einiges Können verlangt. Nun, der Schweizer ist tatsächlich so, so ernst & so genau, ich erinnere mich
an viele Nächte mit Schweizer Barbecue-Kollegen, in denen es stundenlang um derartig brisante Dinge ging,
sehr ernst & sehr genau. Sie haben es schließlich erfunden. Aber zurück zur Wurst oder besser zum Wurst.
Wie sein Name entstanden ist, gilt als umstritten, definiert jedoch sind die Zutaten des Cervelat: 27% Rind,
10% Schwein, 20% Speck, 15% Schwarte und 23% Eiswasser. Dazu kommen Zwiebeln, Pfeffer, Koriander, Muskat, Nelken und mitunter etwas Knoblauch. Der Schweizer ist davon überzeugt, dass diese Zusammensetzung äußerst nahrhaft ist. Immerhin hat sich der Wurst unter 400 anderen Sorten unumstritten an die Spitze gesetzt.
Der Cervelat wird nicht nur in der Schweizer Gesellschaft, sondern auch in diesem Buch ausgiebig diskutiert:
historisch & soziologisch, kulturell & politisch, vor allem aber auch handwerklich. Dabei durchläuft es in der Hand mehrere Stufen: Zunächst, von außen, sieht es fast drollig aus, dann fasst es sich mit seinen dicken Deckeln sehr interessant wie ein Kinderbuch an, auf den ersten Seiten weckt es dann Interesse, beispielsweise durch ein
Flughafen-Scanner-Foto „Cervelat im Koffer – sprengstoffverdächtig“, später wirkt es allmählich skurril,
wie intensiv man sich mit einer Wurst identifizieren & auseinandersetzen kann und am Ende des Buches
kann man all das gut verstehen.
Das einem dieses Buch am Ende richtig gut gefallen wird, liegt an der einfallsreichen, teils originellen Gestaltung,
an der grundsoliden & überzeugenden Schreibweise, den guten & liebevollen Fotografien und vor allem an den interessanten & kreativen Rezepten von Beat Caduff: Cervelat Cordon bleu, Spargel Cervelats Saltimbocca,
Cervelat Bärlauchrisotto, Cervelat Curry… Einfach köstlich!
Wegen der liebevollen Texte & der wunderbaren Rezepte: Sehr empfehlenswert!
P.S.
Ironischerweise stecken die Schweizer Nationalheiligtümer in Lateinamerikanischen Därmen (weil die der einheimischen Rinder zu groß sind) und auch das in ihnen enthaltene Rindfleisch stammt aus Südamerika.
Gut möglich, dass Columbus ein Schweizer war…
AS-Verlag, Zürich, 2015
ISBN 978-3906055381
Gebunden, 176 Seiten
44,90 Euro